FilmForum 2018-02 "Krise und Zuversicht: Über das Leben junger Erwachsener in einer sich ändernden Welt"

In der Entwicklungspsychologie blieb lange Zeit unwidersprochen, dass die Herstellung einer autonomen Identität als die wichtigste Aufgabe der transitorischen Lebensphase betrachtet werden muss, die man die Adoleszenz nannte. Der oder die Jugendliche stand danach vor einer doppelten Herausforderung: ein Selbstbild zu formen und den Maßstäben der umgebenden Gemeinschaft gerecht zu werden. Dabei spielten Gruppenzugehörigkeiten eine Rolle, Peer-Groups, in denen die Balance zwischen der biografischen und der sozialen Identität auszutarieren war.
Solche – besonders von Erik Erikson – genährten Vorstellungen mögen in den 1950er Jahren eine hohe Plausibilität besessen haben, doch im heutigen „Meer der Möglichkeiten“ ist ein Zurechtfinden in der Welt sogenannter Erwachsener nicht mehr so leicht zu bewältigen, und das gilt für die männlichen wie weiblichen Protagonisten gleichermaßen. Die Identität fällt niemandem in den Schoß, wie das bei Eltern und Großeltern in deren Rückblick noch der Fall schien. Die Vielfalt von Möglichkeiten bringt den Vorteil der Freiheit mit sich, doch die Kehrseite ist der zunehmende Verlust von Sicherheiten.
Und weiter: Es erweist sich als fragwürdig, dass die Aufgabe, die vielen Erlebnisweisen zu koordinieren, in einer entwicklungspsychologisch begründeten Phase lokalisiert werden kann. Die Krise der Adoleszenz, bislang als Aufschub, als psychisches Moratorium begriffen, mutiert zur Dauerkrise. So begleiten uns Entscheidungskrisen lebenslang, in denen die Ungewissheit, welche Handlung die richtige wäre, zeitlich limitiert mit einer Entscheidung beendet werden muss. Es entstehen Krisen durch Infragestellung von Wahrnehmungsroutinen, das Auftauchen von Fraglichkeiten, die Entstehung von Ungewissheiten, und das gerade im vermeintlichen Kern der Weltgewissheit, der Partnerschaft.
Der uns in den Diskussionen nach der jeweiligen Filmrezeption bevorstehende Vorbehalt mag überdies darin bestehen, die Krisen, die wir im Leben unserer Kinder und Enkel wittern, als Projektion unserer eigenen Lebenskrisen zu begreifen, die wir verdrängt haben und dennoch zum Modell erheben: „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?“

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    Bisherige Veranstaltungen

    • FilmForum 2018-02: Krise und Zuversicht: Über das Leben junger Erwachsener in einer sich ändernden Welt
      "Als wir träumten"

      Regie: Andreas Dresen, D 2015, 117 min
      mit Merlin Rose, Julius Nitschkoff, Joel Basman, Marcel Heupermann, Frederic Haselon, Ruby O. Fee
    • FilmForum 2018-02: Krise und Zuversicht: Über das Leben junger Erwachsener in einer sich ändernden Welt
      "Ein perfekter Platz"

      Regie: Danièle Thompson, Frankreich 2006, 106 min
      mit Cecile de France, Valérie Lemercier, Albert Dupontel, Claude Brasseur, Sidney Pollack
    • FilmForum 2018-02: Krise und Zuversicht: Über das Leben junger Erwachsener in einer sich ändernden Welt
      "Oh Boy"

      Regie: Jan-Ole Gerster, D 2012, 83 min
      mit Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter, Michael Gwisdek, Justus von Dohnányi
    • FilmForum 2018-02: Krise und Zuversicht: Über das Leben junger Erwachsener in einer sich ändernden Welt
      "Frances Ha"

      Regie: Noah Baumbach, USA 2012, 86 min
      mit Greta Gerwig, Mickey Sumner, Adam Driver

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