Mi, 5. März 2025, 19:00 Uhr
Melanchthonkirche, Kleiner Melanchthonsaal, Königsallee 48, 44778 Bochum
Martin Röttger und Dr. Rudolf Tschirbs
Drei Filmabende mit Diskussion: Ein Wiedersehen mit Alfred Hitchcock. Film 2: Das Fenster zum …
Filmabend und Diskussion
Einführung Ein Wiedersehen mit Alfred Hitchcock Wenn wir in unserem Filmgedächtnis navigieren, bleiben vom Werk Alfred Hitchcocks überwiegend Spannungssequenzen haften – denken wir an Cary Grant am Prärie-Stopp: ein Angriff eines Flugzeugs über einem Maisfeld; oder das auslaufende Benzin an einer Tankstelle und das verzweifelte Rufen von Tipi Hedren; oder der Blick von Raymond Burr, als mutmaßlicher Gattinnen-Mörder, auf den Ehering in den Händen von Grace Kelly - ; doch wie steht es dabei mit unserem musikalischen Gedächtnis? Eine dramatische Steigerung, ja Aufgipfelung der Zuschauerempfindungen durch orchestralen Einsatz in Spannungssequenzen ist uns aus Indy-Jones-Filmen oder Star-Wars-Episoden geläufig, dabei stets als Musikeinsatz von außerhalb des Erzählraums. Während der Stummfilmzeit war das Orchester deutlich vor der Leinwand sichtbar, im sogenannten außerdiegetischen Raum. Der Tonfilm hingegen gestattete den Einsatz von Musik in der Szene, wobei die Tonquelle auf der Leinwand sichtbar wurde: Das Pfeifen von Peter Lorre in Fritz Langs „M“; die Zither in Carol Reeds „Der dritte Mann“; ein eingeschaltetes Radio. Das Begriffspaar Musik on screen und Musik off screen hat sich als nützlich eingebürgert. Klingt die Filmmusik innerhalb der Handlung, von sichtbaren Instrumenten gespielt, wird sie als diegetisch bezeichnet; steht die Quelle außerhalb, als extra-diegetisch. Beiden Musik-Einsätzen ist übrigens gemein, dass sie als Element der Kontinuität fungieren, etwa gegenüber dem Film-Schnitt bzw. der Bild-Montage einerseits, oder gar sequenzübergreifend an der Sinn-Produktion andererseits beteiligt sind. In einem der erfolgreichsten Filme von Alfred Hitchcock, „Eine Dame verschwindet“, hört die ältliche Musiklehrerin Miss Froy vor dem Fenster ihres Hotels einem lokalen Troubadour zu, der unterhalb ein Ständchen singt. Während Miss Froy die Melodie vor sich hin summt, bekommt sie nicht mit, dass der Sänger einem Würger zum Opfer fällt. Die Eisenbahnreise in Richtung London ist voller Turbulenzen und Intrigen, und im dortigen Auswärtigen Amt muss die melodiöse Geheimbotschaft mühsam rekonstruiert werden. In Hitchcocks „Fenster zum Hof“ hört der Zuschauer nichts anderes als die Protagonisten selber (Stille, Sraßenlärm, Radioklänge, Klavierspiel), auch im Moment höchster Spannung gibt es keine Musikuntermalung. Ein Komponist im Film entwickelt derweil das leitmotivische Lied „Lisa“ über den ganzen Film hindurch. Es rettet ein Menschenleben. In dem Film „“Der Mann, der zuviel wusste“ (1956), ein Remake des gleichnamigen Films von 1934, treibt Hitchcock die Spannung, den Suspense, in einem Konzert in der Royal Albert Hall in London auf die Spitze. Die Zuschauer wissen mehr als das verzweifelte Ehepaar Doris Day-James Stewart, dass nämlich beim Beckenschlag in der Cantata „Storm Clouds“ der Premierminister eines auswärtigen Staates erschossen werden soll. Der Filmkomponist Bernard Herrmann wird on screen auch als Konzert-Dirigent sichtbar. Nicht genug damit, wird das von Doris Day vorgetragene Lied „Que Sera, Sera“ in der Botschaft des Premiers eine erneute Spannungssequenz einleiten. Film 2: Das Fenster zum ... Regie: Alfred Hitchcock USA 1954; 112 min. Mit: James Stewart, Grace Kelly, Thelma Ritter, Raymond Burr Eine Konfiguration wie im Kino: ein immobiler Protagonist, ein voyeuristischer Blick auf etliche Apartment-Fenster, Einblicke in erotische Techtelmechtel, Exponenten von Vereinsamung, und ja: vielleicht auch kriminelle Machenschaften? Dramatisiert durch den Antagonismus zwischen dem eheflüchtigen Sportreporter James Stewart, durch Beinbruch gehandicapt, und der glamourösen Grace Kelly, die ausgerechnet die Unvereinbarkeit von Lebensstilen zum Grundgesetz einer Eheschließung machen will. Geht es hier um die Aufklärung eines scheußlichen Gattinnen-Mordes oder um den dutzendfachen Nachweis der Institution der Ehe als Tortur? Damit sind wir Zuschauer schon mitten in der strukturellen Thematik des größten Regiekünstlers aller Zeiten: den vertrackten Ambivalenzen des okzidentalen Eheversprechens, dabei ausgeliefert den doppelten optischen Unsicherheiten des Teleobjektivs von James Stewart bzw. der Kamera von Robert Burks. | |
Kosten | Der Eintritt ist frei. |
Termine | 05.03.2025 19:00 - 21:30 Uhr |