Di, 7. Mai 2024, 18:30 Uhr

Evangelische Stadtakademie Bochum, Westring 26c, 44787 Bochum

Prof. Dr. Susanne Schröter

Identitätspolitik und politischer Islam – Postkolonialismus zwischen Religionsfreiheit und Extremismus
Vortrag mit Diskussion in der Reihe "Identitätspolitik, Aktivismus und Populismus"

Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff hat mit seinem Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ für kontroverse Debatten gesorgt. Die politische Linke kritisiert mit ihrer Formel „antimuslimischer Rassismus“ jede Form der Islamkritik in Deutschland als Ausdruck islamophoben Ressentiments. Die politische Rechte skandalisiert eine von ihnen befürchtete Islamisierung Deutschlands. Die christlichen Kirchen suchen seit Jahrzehnten den christlich-muslimischen Dialog. Sicherheitspolitiker wie der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Norbert Reul, haben sich den Kampf gegen Clankriminalität auf die Fahnen geschrieben. Gleichzeitig gewinnen die Forderungen muslimischer Verbände und Gruppierungen Raum, religiöse Verhaltensnormen wie die Anwendung der Scharia, Verschleierung von Frauen und Mädchen, Geschlechtertrennung und Speisevorschriften nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Raum zu etablieren und islamische Bildungsinstitutionen jenseits der Kontrolle deutscher staatlicher Behörden zu betreiben. Während die christlichen Kirchen fortschreitend marginalisiert werden und mit einem drastischen Ansehensverlust zu kämpfen haben, und der öffentliche Diskursraum zunehmend weltanschaulich aufgeladen wird, erscheint der politische Islam als eine Form der Emanzipation von durch den weißen Westen kolonialisierten Kulturen. Wie lässt sich ein gangbarer Weg für das Verhältnis von Religion und Öffentlichkeit unter den Bedingungen einer freiheitlichen Demokratie beschreiben und organisieren?
 
 
 
 
 
Susanne Schröter ist Ethnologin. Sie lehrte und forschte u.a. an der University of Chicago und der Yale University, wurde 2004 Inhaberin des Lehrstuhls für Südostasienkunde an der Universität Passau und 2008 auf die Professur für „Ethnologie kolonialer und postkolonialer Ordnungen“ und an die Goethe-Universität Frankfurt berufen. Dort war sie 11 Jahre lang Principal Investigator am Exzellenzcluster „Herausbildung normativer Ordnungen“ und leitet seit 2014 das Frankfurter „Forschungszentrum Globaler Islam“. Sie ist neben anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten Vorstandsmitglied des „Deutschen Orient-Instituts“, Senatsmitglied der „Deutschen Nationalstiftung“ und Mitglied des wissenschaftlichen Beiratas der „Bundeszentrale für politische Bildung".
 
Sie publizierte:
Global gescheitert? Der Westen zwischen Anmaßung und Selbsthass. Freiburg: Herder, 2022.
 Allahs Karawane. Eine Reise durch das islamische Multiversum. München: Ch. Beck, 2021.
 Politischer Islam. Stresstest für Deutschland. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2019.
 
 
Der Vortrag findet im Rahmen der Reihe Identitätspolitik, Aktivismus und Populismus statt.
Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland funktioniert auch in einer Zeit schwerer Krisen auffallend gut: Die Bürger wählen meist mehrheitlich nach wie vor diejenigen bürgerlichen Parteien, die grundsätzlich miteinander koalieren können. Bei der Gesetzgebung arbeiten Regierung und Opposition in einzelnen Fällen zusammen. Die Medien sind in ihrer Berichterstattung frei. Die Sicherheitsbehörden reagieren auf außerparlamentarischen Protest rechtsstaatlich und verhältnismäßig. Die Bürger sind zwar politisiert, agieren aber Protest und Zustimmung friedlich aus.
Beklagt wird allerdings ein rau gewordenes Gesprächsklima. Debatten entzünden sich vornehmlich an Themen, die unter der Gesamtüberschrift „Identitätspolitik“ verhandelt werden. Es geht um Geschlechterbeziehungen, kulturelle Homogenität und natürliche Lebensgrundlagen. Die zentralen Kampfbegriffe sind: „Sexismus“, „Rassismus“ und „Klimakatastrophe“. Diese werden vorrangig in der Form von Populismus und Aktivismus ausagiert. Bei aller Breite und Leidenschaft der Debatte bedarf es allerdings auch der kritischen Selbstprüfung, ob diese Diskussionen tatsächlich die entscheidenden Gegenwartsfragen treffen.
Mit der Veranstaltungsreihe „Identitätspolitik, Aktivismus und Populismus“ möchte die Evangelische Stadtakademie Bochum zu einer gleichermaßen sachlich informierten wie kritisch argumentierenden Debatte und damit zur Meinungsbildung beitragen. Die Vorträge widmen sich exemplarisch einzelnen Personen, in denen sich einschlägige thematische Fragen besonders verdichten. Zwei exemplarische Abende widmen den Phänomenen „Wokismus“ und „Gender Pay- Gap“. Ein Vortrag setzt sich mit der Frage auseinander, ob angesichts der Dominanz dieser Kulturthemen nicht die Bedeutung geopolitischer Realpolitik unterschätzt und die Zukunft der Freiheit fahrlässig gefährdet wird.
Kosten5,- €, erm. 3.00 €
Studenten und Empfänger von Bürgergeld haben freien Eintritt.
Termine07.05.2024 18:30 - 20:00 Uhr