Di, 5. Oktober 2021, 19:15 Uhr

Evangelische Stadtakademie Bochum, Westring 26 c, 44787 Bochum

Prof. Dr. Laila Prager

Transnationale Verflechtungen, Zwangsheiraten und die Paradoxien der Zuwanderungspolitik: Alawi-MigrantInnen zwischen Deutschland und der Türkei
Vortrag mit Diskussion

Im Rahmen dieses Vortrags soll ein in der Integrationsdebatte bisher unberücksichtigt gebliebenes Phänomen thematisiert werden. Konkret geht es hierbei um das Paradox, dass von der Aufnahmegesellschaft Gesetze verabschiedet werden, die zu einer "besseren" Integration der MigrantInnen führen sollen, in der Praxis aber das genaue Gegenteil bewirken. Dieses Dilemma soll am Beispiel des 2008 verabschiedeten Gesetzesentwurfes diskutiert werden, wonach die EhepartnerInnen von MigrantInnen, bevor sie nach Deutschland nachziehen dürfen, durch einen Sprachtest im jeweiligen Herkunftsland ihre Deutschkenntnisse nachweisen müssen. Dieses Gesetz, welches in Deutschland unilateral zur Verhinderung von Zwangsehen initiiert wurde, hat in den Herkunftsregionen jedoch sehr unterschiedliche - vom deutschen Gesetzgeber nicht vorgesehene - Konsequenzen nach sich gezogen, die ihrerseits auf den Migrationskontext unmittelbar zurückwirken. Am Beispiel der türkischen Alawiten/Nusairier, einer Arabisch sprechenden, heterodoxen und religiösen Gruppe aus der Çukurova und Hatay-Region in der Türkei, die seit den 60er Jahren in Deutschland präsent ist, soll aufgezeigt werden, wie im Zuge dieser Gesetzgebung Zwangsehen eher begünstigt als verhindert wurden/werden. Die hierbei zugrunde liegenden sozialen und kulturellen Transformationsprozesse lassen sich nur im Rahmen einer komplexen Konfiguration von transnationalen Verflechtungen verstehen, die in der Forschungsliteratur zwar oftmals postuliert, in ihren konkreten alltäglichen Ausformungen jedoch nur selten in den Blick genommen werden.
Laila Prager ist seit 2013 Professorin für Sozial- und Kulturanthropologie am Institut für Ethnologie an der Universität Hamburg. Sie hat als Forscherin bzw. Professorin an der New York University Abu Dhabi, Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Universität Leipzig gearbeitet.
Seit 2002 betreibt sie Feldforschung unter beduinischen Gesellschaften (Jordanien, Syrien), palästinensischen und syrischen Flüchtlingen, den Khaliji der Arabischen Golfmonarchien und der ethnisch-religiösen Gruppe der Alawiten (Deutschland, Frankreich, Türkei, Syrien).
Derzeitig fokussiert sich ihre Forschung auf das Wiederaufleben des Kulturerbe-Diskurses und der kulturelleren Performanzen im Nahen und Mittleren Osten (Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Katar, Syrien, und Jordanien). Darüber hinaus untersucht sie gesellschaftliche Transformationen, die durch medizinisches Wissen (um Genetik, Blutanomalien und Reproduktionstechnik) entstehen bzw. durch Wohlstandskrankheiten (NCDs) hervorgerufen werden (Diabetes, Adipositas, etc.).
Neben ihrer Arbeit als Professorin übernimmt sie vielfältige Beratungstätigkeiten zum Nahen und Mittleren Osten (z.B. Forschungsförderung, Privatwirtschaft, Publikationen nichtwissenschaftlicher Literatur, etc.). Darüber hinaus engagiert sie sich seit 2015 in der Flüchtlingshilfe. Sie baute ein Netzwerk an UnterstützerInnen und Freiwilligen auf, organisiert Kinderbetreuung zur Frauenförderung und etablierte und führt regelmäßige Sprachkurse durch.
Kosten5,- €, erm. 3.00 €
Termine05.10.2021 19:15 - 21:30 Uhr

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