Evangelische Stadtakademie Bochum

In der Revolution von 1848 verlangten die Facharbeiter der Maschinenbauanstalt von August Borsig in Berlin wöchentliche regelmäßige Aussprachen mit der Werksleitung, um die Probleme und Wünsche der Arbeiter zur Geltung zu bringen. Das war die Geburtsstunde der betrieblichen Demokratie in Deutschland. Ein halbes Jahr lang galten diese Aussprachen auch für etwa 15 weitere Metallbetriebe in Berlin. Im Gleichklang mit der politischen Revolution und ihren Forderungen auf Wahlrecht und parlamentarische Repräsentation brachte die Märzrevolution mithin die Forderung nach dem Arbeitsbürger auf die Tagesordnung der deutschen Freiheitsgeschichte. Nach dem Abflauen und der Niederschlagung der revolutionären Situation wandte sich das deutsche Bürgertum den eigenen Wirtschaftsinteressen zu und herrschte bis in den Ersten Weltkrieg hinein in den Betrieben auf autokratische Weise. Erst "Das Betriebsrätegesetz von 1920" führte die politisch-parlamentarische und die betriebliche Demokratie wieder zusammen.

 Nach der Zerstörung der so geschaffenen Strukturen im Nationalsozialismus, aber auch in der DDR, entfaltete sich unter der erstarkten Gewerkschaftsbewegung nach 1945 der Mitbestimmungsgedanke aufs Neue. Seit den Krisenzeiten nach 1973, noch mehr seit den Globalisierungsschüben ist die Betriebsdemokratie wieder unter den Druck der Kapitalseite geraten. Betriebliche Solidarstrukturen werden zerstört oder verhindert. Damit ist aber der demokratische Grundkonsens der Bundesrepublik, ihre betriebliche Basis, in Gefahr.

 

Werner Milert war zuletzt Arbeitsdirektor bei der Saargummi AG,

Dr. Rudolf Tschirbs war bis 2011 Studiendirektor an der Goethe-Schule Bochum.

 

 

Dr. Günter Brakelmann ist Professor em. für Christliche Gesellschaftslehre an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.