Evangelische Stadtakademie Bochum

Das europäische Projekt ist in der Krise. Die gegenwärtige Finanzkrise und die Debatten um die Zukunft des Euro machen einmal mehr deutlich, dass es sich bei der Europäischen Union um ein Elitenprojekt handelt, dem ein erheblicher Teil der Bevölkerung der EU eher skeptisch gegenübersteht. Bereits seit den 1980er Jahren versuchen deshalb die europäischen Eliten, das von ihnen durchaus erkannte Legitimationsdefizit der EU auch über kulturelle Identitätsdiskurse zu überwinden. Der wirtschaftliche Funktionalismus der frühen Jahre der EWG und der EG fand damit eine wichtige Korrektur. In den Debatten um die kulturelle Identität der Europäer spielt die europäische Geschichte immer wieder eine erhebliche Rolle. Im 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert waren die Nationalstaaten Europas immerhin überaus erfolgreich, über Nationalgeschichte nationale Identität zu stiften. Sollte Europa nicht in der Lage sein, so ein verbreitetes analoges Denken, europäische Identität über europäische Geschichte zu befördern?

Der Vortrag lässt einige der vielversprechendsten Versuche solcher Identitätsbildung Revue passieren und fragt nach den Chancen und den Risiken einer solchen historisch verankerten europäischen Identität. Wie viel Geschichte verträgt Europa? Und ist Geschichte nicht eher das, was die Europäer trennt als das, was sie eint?

Prof. Dr. Stefan Berger, ist seit 2011 Vorsitzender der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets und Inhaber des Lehrstuhls für Sozialgeschichte und soziale Bewegungen an der Ruhr-Universität Bochum, sowie Leiter des Instituts für soziale Bewegungen (ISB). Seit 2005 war er Professor für moderne deutsche und vergleichende europäische Geschichte an der Universität Manchester, seit 2003 leitete er das Forschungsprogramm der European Science Foundation: "Representations of the Past: The Writing of National Histories in 19th and 20th Century Europe".