Di, 13. September 2016, 19:30 Uhr
Haus der Kirche, Westring 26 c
Professor Dr. Jürgen Reulecke, Essen
"Erziehung vor Verdun"
Erziehung und Selbsterziehug, Aufbrüche und Umbrüche in der Jugendgeneration des späten Kaiserreichs
"Erziehung vor Verdun" ist der Titel eines Romans von Arnold Zweig aus dessen literarischen Zyklus "Der Große Krieg der weißen Männer". Dieser Titel kann heute, 100 Jahre nach der Schlacht von Verdun, zweifach gedeutet werden: zum einen - und eher im Sinne Zweigs – als Erziehung durch die Erlebnisse und Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, zum anderen als Vorgeschichte im Sinne einer mentalen und ideologischen Vorbereitung junger Deutscher auf den Krieg, der lange geplant und erwartet wurde und dann doch ganz überraschend kam. Der erste Vortrag dieser Reihe erläutert die vielfältigen Herausforderungen, die die Jugend "vor Verdun", geboren im späten Kaiserreich in den 1880er/1890er Jahren, intensiv und mit langfristigen Folgen geprägt haben. – Diese waren zum einen die rasant fortschreitende Industrialisierung bzw. Urbanisierung sowie die zunehmend massiver werdenden Erwartungen der Kaiserreichseliten vor allem an die männliche Jugend mit entsprechenden Erziehungsprinzipien, zum anderen aber auch im Kontext von sich immer deutlicher äußernden neuen gesellschaftskritischen Reformbewegungen mit einer Vielzahl von auf eine individuelle Selbstfindung der jungen Menschen bezogenen Anregungen. Die Folge war eine wachsende Spannung zwischen den offiziellen Formen und Prinzipien der Schul- und Familienerziehung auf der einen Seite und den durch eine Reihe kritischer Aufbruchbewegungen geschaffenen außerschulischen Erfahrungswelten der Heranwachsenden andererseits. Sie bestimmte zunehmend bis Mitte 1914 die Situation. Bei Kriegsausbruch jedoch spielte diese Spannung angesichts der propagandistisch wirkungsvoll behaupteten Bedrohung des Kaiserreichs durch feindliche Heere in West und Ost zunächst kaum noch eine Rolle, so dass in der jungen Generation vor allem bei den jungen Männern eine Kriegseuphorie herrschte und die meisten von ihnen "vor Verdun" zu einer breiten Kampfbereitschaft an der Front bis hin zum "Opfertod fürs Vaterland" bereit waren. Beginnend in der Spätphase des Krieges, aber vor allem dann nach Kriegsende und der Kriegsniederlage sollten jedoch jene Spannungserfahrungen der Kriegsjugendgeneration aus der Vorkriegszeit für die weitere deutsche Geschichte eine entscheidende Rolle spielen. Nächste Veranstaltung: 6 Oktober, 19.30 Stadtbücherei Bochum BVZ Gustav-Heinemann-Platz 2-6, 44787 Bochum Dr. Hans Malmede, Düsseldorf "Erziehung vor Verdun" Erziehung zum und durch den Krieg - im Spiegel zeitgenössischer Autoren Rezitation: Jürgen Larys | |
Dr. Jürgen Reulecke ist Professor em. für Zeitgeschichte an der Universität Giessen; Forschungsschwerpunkte "Erinnerungskulturen", Stadt- und Urbanisierungsgeschichte, Geschichte sozialer Bewegungen und Geschichte von Jugend und Alter, Generationengeschichte. | |
Kosten | 5,- €, erm. 3.00 € |
Termine | 13.09.2016 19:30 - 21:30 Uhr |
Eine Kooperation von Stadtbücherei Bochum und Evangelische Stadtakademie Bochum. |
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