Fr, 1. Januar 2016

Stellungnahme der Evangelischen Stadtakademie zum geplanten Abriss des Bochumer Nordbahnhofs

Nordbahnhof - Verantwortung gegenüber unserer Geschichte
 
Die Evangelische Stadtakademie begrüßt ausdrücklich die Diskussion, mit der der Abriss des Nordbahnhofs verhindert werden soll. Sie macht auf einen unverzichtbaren Teil unserer kommunalen Erinnerung aufmerksam, zu der auch das Zusammenleben mit jüdischen Bewohnerinnen und Bewohnern in Bochum bereits seit den Anfängen des 17. Jhdt. gehört.
 
Seit Jahrzehnten ist es das Anliegen der Evangelischen Stadtakademie, die Spuren jüdischen Lebens in unserer Stadt zu erforschen und in verschiedenen Publikationen der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Nach derzeitigem Kenntnisstand sind aus Bochum 517 und aus Wattenscheid 87 jüdische Menschen Opfer der Shoa geworden. Der nationalsozialistische Terror ereignete sich in mehreren Stufen, bis hin zur schlimmste Phase des Leidensweges, der Deportation jüdischer Männer, Frauen und Kinder in die Vernichtungslager. Sammelstellen in Bochum waren der Hauptbahnhof, der früher an der Viktoriastraße lag, und der Bahnhof Bochum-Nord. Der Hauptbahnhof wurde im Krieg zerstört und nach dem Krieg an seine heutige Stelle verlegt. Dafür musste ein jüdischer Friedhof weichen und nur mit Mühe wurden Grabsteine gerettet. Erhalten als authentischer Ort von Deportationen blieb einzig der Nordbahnhof. Das heute noch existierende Bahnhofsgebäude ist deshalb für Bochum ein authentischer Haftpunkt der kollektiven Erinnerung an die Deportationen in die Vernichtungslager. Für die deportierten jüdischen Menschen war der Nordbahnhof das letzte Gebäude, das sie in Bochum erlebten.
 
Für die Evangelische Stadtakademie ist dies der vordringliche Grund, dass der Nordbahnhof nicht abgerissen werden darf. Bei jeder denkbaren Weiternutzung sollte in diesem Gebäude ein Ort des Gedenkens errichtet werden. Die zahlreichen Leserbriefe Bochumer Bürgerinnen und Bürger, die sich ebenfalls für einen Gedenkort aussprechen, zeigen, dass die kommunale Erinnerung wach geblieben ist. "Die aktuelle Diskussion um Rechtsradikalismus und Antisemitismus macht deutlich, wie notwendig eine ehrliche Erinnerung als Orientierung für die Zukunft einer Gesellschaft ist, die aus Menschen unterschiedlicher Herkunft und kultureller Prägung besteht", heißt es bereits vor 15 Jahren in dem Gedenkbuch der Stadtakademie an die Opfer der Shoa in Bochum und Wattenscheid.
 
Unberührt davon bleibt der städtebauliche Gesichtspunkt wichtig. Das Bahnhofsgebäude gehört zu den ältesten noch erhaltenen Gebäuden der Innenstadt. Mit der bewusst geschützten und erhaltenen Fassade des früheren "Gymnasiums am Ostring" im neuen Gerichtsgebäude bildet es ein Gesamtensemble, das nicht zerstört werden sollte. Ausdrücklich begrüßen wir in diesem Zusammenhang das Engagement der Kortumgesellschaft sowie die angekündigte Dialogbereitschaft der Eigentümer der Fiege-Brauerei.
 
Bochum, 08.09.2015
Der Vorstand der Evangelischen Stadtakademie Bochum
Kosten0,- €
Termine01.01.2016 ab Uhr
30.06.2016 ab Uhr

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