Evangelische Stadtakademie Bochum

Das "gerechtfertigte Selbst" ist gerade nicht das selbstgerechte oder gar das durch sich selbst gerechtfertigte Selbst. Es ist vielmehr das von Gott angesprochene, von ihm gemeinte, herausgerufene und herausgeforderte Selbst. Es ist dadurch zur Selbst-Ständigkeit befähigt; es ist fähig, ICH zu sagen und Verantwortung zu übernehmen.

 Die "Erste Person Singular" genießt derzeit kaum irgendwo hohes Ansehen: sie gilt fast überall als egoistisch, individualistisch, selbst-süchtig und narzisstisch, kurz: als a-sozial. Sie darf nicht zu sich selbst kommen, sondern endlich von sich weg - sie muss erst noch sozialisiert werden: vorzugsweise von einer der großen Institutionen der Sozialerziehung. Dieser Perspektive auf die einzelne Person begegnet man auch immer wieder im sich selbst so nennenden "Sozial-Protestantismus".

In diese Debatte wird sich der Vortrag einmischen mit einem Plädoyer für die gemeinsame Wiedergewinnung, Anerkennung und die Schärfung des Profils eines Protestantismus, der zugleich personal, präsentisch, partikular, pluralistisch und politisch-zivil gedacht und gelebt werden kann.

Dieser Ansatz versteht sich in der Tradition eines liberalen Kulturprotestantismus, er ist inspiriert von der philosophischen Anthropologie und Ethik des "protestantischen" Philosophen Paul Ricoeur und fühlt sich herausgefordert von der "religiösen Binnenstruktur des Sozialen", wie sie im Programm einer "Religion der Menschheit" (Religion de l'Humanité) rekonstruierbar ist. Als deren Stifter und Grand Prêtre sah sich Auguste Comte, der gemeinhin - und durchaus zu recht - als eine der wichtigsten Gründergestalten der modernen Soziologie gilt.

Inwiefern kann (oder muss) die Soziologie heute noch als die Systematische Theologie der Religion des Sozialen gelesen werden?

Professor Dr. phil. Fritz Rüdiger Volz lehrte von 1982 bis 2011 an der Ev. Fachhochschule in Bochum Soziologie und Sozialphilosophie. Arbeitsschwerpunkte: Ethik Helfender Berufe im internationalen Vergleich.