So, 27. Januar 2013, 17:00 Uhr

Christuskirche Bochum, Westring 26

Internationaler Holocaust-Gedenktag

György Konrád | Zum Tag der Befreiung
Lesung mit liturgischer Rahmung durch László Fekete, Kantor der Synagoge Budapest

Ein gro­ßer Schrift­stel­ler, ein gro­ßer Euro­päer:
György Kon­rád, 1933 in Beret­tyóúj­falu im östli­chen Ungarn gebo­ren, war Prä­si­dent des Inter­na­tio­na­len P.E.N. und Prä­si­dent der Aka­de­mie der Künste, hat inter­na­tio­nal höchste Ehrun­gen erhal­ten, dar­un­ter den Frie­dens­preis des Deut­schen Buch­han­dels, den Karls­preis, den Orden der fran­zö­si­schen Ehren­le­gion. Seit 69 Jah­ren hätte Kon­rád ermor­det sein sol­len. Im März 1944, als die Deut­schen Ungarn besetz­ten und inner­halb weni­ger Wochen eine halbe Mil­lion Juden depor­tier­ten - jedes dritte in Ausch­witz ermor­dete Opfer stammte aus Ungarn - tauchte der 11jährige zusam­men mit sei­ner Schwes­ter in Buda­pest unter. Sie wur­den nicht wie Tau­sende andere "in die Donau geschos­sen". Dass sie über­lebt haben, ver­dan­ken sie dem Zufall, ihrem Mut und Men­schen wie Carl Lutz: Der Schwei­zer Diplo­mat hatte Zehn­tau­sende "Schutz­pässe" aus­ge­stellt, eine die­ser gestem­pel­ten Phan­ta­sien schützt Kon­rád bis heute davor, ver­gast wor­den zu sein. Aber auch, wer Ausch­witz ent­kam, ist des­halb nicht entkommen.
Was es bedeu­tet zu über­le­ben - und auch, was es bedeu­tet, wenn sich ein ande­rer etwas aus­denkt und es auf Papier druckt und "Schutz­pass" nennt - macht Kon­rád eher en pas­sant deutlich: "Du lebst statt der ande­ren, das sagte mir in mei­ner Klein­stadt ein Jude, des­sen Frau und zwei Kin­der ver­brannt wor­den waren. Im Februar 1945 sagte er das, kurz vor mei­nem zwölf­ten Geburts­tag. Diese Fest­stel­lung klang wie ein Urteil.
65 Jahre spä­ter schreibt er, Ausch­witz sei "wich­tigs­ter Ori­en­tie­rungs­punkt mei­nes Denkens".
Nach der Befrei­ung hatte Kon­rád Literatur-, Sozio­lo­gie und Psy­cho­lo­gie in Buda­pest stu­dierte, 1956 war er in den Ungarn-Aufstand gera­ten, ohne dort seine, eine dritte Seite zu fin­den. Durch die blei­er­nen Jahre, die den sowje­ti­schen Pan­zern gefolgt waren, hatte er sich - jetzt nicht mehr von fal­scher "Rasse", wohl aber von "fal­scher" Klasse - mit ver­schie­de­nen Jobs durch­ge­schla­gen und 1969 sei­nen ers­ten Roman her­aus­ge­bracht: "Der Besucher".
Die poli­ti­schen Essays, die er in den fol­gen­den Jah­ren auch in west­li­chen Ver­la­gen ver­öf­fent­lichte, brach­ten ihm in Ungarn ein jah­re­lan­ges Schreib­ver­bot ein. Da er wei­ter­hin im Wes­ten publi­zierte, bot man ihm schließ­lich die Aus­reise an, er aber, Welt­bür­ger und Euro­päer, blieb und schuf sich sein öffent­li­ches Leben selbst. Eines, das er zwi­schen die Wel­ten Euro­pas spannte, zwi­schen Selbst­ver­lag und Fremd­be­stim­mung, zwi­schen Samis­dat und west­li­chem Ruhm: Damals, und lange ist das gar nicht her, musste ein Manu­skript, in dem wer Ich sagte, in Europa geschmug­gelt werden.
Auf diese Weise erkämpfte sich Kon­rád seine gedank­li­che und eine gewisse Rei­se­frei­heit und wurde - zusam­men zumal mit Vaclav Havel, Czes­law Milosz, Danilo Kis - zu einer der wich­tigs­ten Stim­men des dis­si­den­ten Ost­eu­ro­pas. 1989 dann, nach dem Ende der euro­päi­schen Spal­tung, wird er in Ungarn reha­bi­li­tiert, er erhält den wich­tigs­ten Künst­ler­preis des Lan­des. Und wird - als Prä­si­dent des Inter­na­tio­na­len P.E.N. [1990 bis 1993], mehr noch als Prä­si­dent der Aka­de­mie der Künste in Ber­lin [1997 bis 2003] - zu einer der bedeu­tends­ten Stim­men des neuen Euro­pas: "eine lite­ra­ri­sche Auto­ri­tät von euro­päi­schem Rang", wie Alt-Bundespräsident Roman Her­zog 2001 es in sei­ner Lau­da­tio zur Ver­lei­hung des Karls­prei­ses der Stadt Aachen for­mu­liert:
Kon­rád zu ehren, so Herzog, "ist eine Ent­schei­dung für ein Europa der Zivil­cou­rage, für ein Europa der unbe­ding­ten Wahr­heit, des unbeug­sa­men Frei­heits­wil­lens, des kom­pro­miss­lo­sen Huma­nis­mus und des Bekennt­nis­ses zum Frie­den. Es ist zugleich eine Ent­schei­dung für kri­ti­sche Intel­li­genz, für Non­kon­for­mis­mus und Widerspruchsgeist.
Vor allem aber ist es eine Ent­schei­dung für das, was Kon­rád sel­ber "empha­ti­sches Vor­stel­lungs­ver­mö­gen" nennt, Inbe­griff von Lite­ra­tur:
die Fähig­keit, sich vor­zu­stel­len, was mit dem ande­ren ist.
 
Der 27. Januar ist der Tag der Befrei­ung von Ausch­witz.
Kosten0,- €
Termine27.01.2013 ab 17:00 Uhr
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